Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs begrüßt es, dass die zukünftige Bundesregierung laut Koalitionsvertrag sich weiterhin aktiv gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen einsetzen will.
Berlin, 15.02.2018.
Stellungnahme der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs zum Ergebnis der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD.
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs begrüßt es, dass die zukünftige Bundesregierung laut Koalitionsvertrag sich weiterhin aktiv gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen einsetzen will. Es ist für den Kinderschutz in unserer Gesellschaft ganz wichtig, die Stelle des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zu verstetigen. Und die Kommission schätzt es sehr hoch ein, dass im Koalitionsvertrag die Anerkennung und Wertschätzung des Engagements von sexueller Gewalt betroffener Menschen durch die Absicht, auch den Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten zu verstetigen, deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
Wir hoffen, dass für beide Stellen auch eine gesetzliche Verankerung beabsichtigt ist. Aber Prävention ist auch auf Aufarbeitung angewiesen und gesellschaftliche Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs zielt auf die Anerkennung erlittenen Unrechts und Respekt gegenüber betroffenen Menschen. Vor dem Hintergrund unserer nun seit zwei Jahren laufenden Arbeit haben wir uns gefragt, warum die Fortführung von Aufarbeitung und damit die Arbeit der Kommission explizit nicht im Koalitionsvertrag erwähnt wird.
Wir hoffen sehr, dass die politisch Verantwortlichen auch an einer Weiterführung unabhängiger Aufarbeitung angesichts der großen Themen (z.B. Kindesmissbrauch in der Familie) und der Reichweite in die Gesellschaft hinein, interessiert sind und diese auch vorsehen. Aufarbeitung ist wesentlich, um die Dimensionen und Folgen des Missbrauchs aufzuzeigen.
Ohne Aufarbeitung der Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit kann kein nachhaltiger Schutz von Kindern und Jugendlichen gelingen. Bei der Aufarbeitungskommission haben sich bisher 1500 Betroffene sexueller Gewalt gemeldet. Viele von ihnen können während der jetzigen Laufzeit der Kommission bis März 2019 nicht mehr angehört werden. Die Hoffnung dieser Betroffenen auf Anerkennung des erlittenen Leids und Unrechts in ihrer Kindheit und Jugend sollte von der Politik nicht enttäuscht werden.
Von Beginn an war klar, dass Aufarbeitung einen langen Atem benötigt, wenn wir den vielen Betroffenen und den zahlreichen Tatkontexten gerecht werden wollen. Bislang haben wir vertiefte Einblicke in die Tatkontexte Familie und DDR und wir arbeiten aktuell zu Kirchen und ritueller Gewalt. Aber andere Zusammenhänge etwa das Versagen von Jugendämtern in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik, Missbrauch in Schulen, in der Jugendbewegung beispielsweise bei den Pfadfindern oder im Sport haben wir noch nicht untersuchen können.
Wir würden gerne mit den politisch Verantwortlichen ins Gespräch kommen, wie die Arbeit der Aufarbeitungskommission über März 2019 hinaus weitergeführt werden kann – auf einer gesetzlichen Grundlage und mit einer angemessenen finanziellen Ausstattung. Die Gesellschaft muss sich ihrer Verantwortung gegenüber Mädchen und Jungen aber auch gegenüber erwachsenen Betroffenen bewusst werden. Hier ist noch ein weiter Weg zu gehen. Die Erwartungen von Betroffenen und ihren Angehörigen an die begonnene gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung sind sehr groß.
Wir rufen die zukünftige Bundesregierung auf, lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Betroffene Anerkennung des erlittenen Leids und Unrechts erfahren, dass die Gesellschaft sich ihrer Verantwortung bewusst wird und dass Mädchen und Jungen in Zukunft besser vor sexuellem Missbrauch geschützt werden.
Betroffene und andere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die sich über die Arbeit der Kommission informieren oder einen schriftlichen Bericht einreichen möchten, können sich telefonisch (0800 4030040 – anonym und kostenfrei), per E-Mail oder Brief an die Kommission wenden.
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